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EIN FESTIVAL DER KINOKUNST MIT GESELLSCHAFTLICHEM MEHRWERT
Ein Rückblick auf 20 Jahre deutsch-türkischer Kinobegegnungen
Vermutlich konnte sich keiner der jungen Menschen, die zu Beginn der 1990er Jahre im Çayhaus des Nürnberger Kulturladens Rothenburger Straße zusammensaßen und die Idee hatten, Türkei Filmtage in Nürnberg zu organisieren, vorstellen, dass daraus einmal das bedeutendste Dialog-Forum des türkischen und deutschen Kinos überhaupt und einer der jährlichen Höhepunkte im Nürnberger Kulturleben werden würde.
Mit sechs Filmen und einem Gast, der Schauspielerin Nur Sürer, begann die spätere Erfolgsgeschichte 1992 in kleinem Rahmen im Metropolis-Kino. Bis 1998 präsentierten die Türkei Filmtage bei stetig umfangreicher werdendem Programm alljährlich Neues aus der Welt des türkischen Kinos. Die Kurz- und Dokumentarfilmwettbewerbe waren dabei stets auch ein Spiegel interkulturellen Kinos in Deutschland – Fatih Akin bekam hier 1996 für seinen Kurzfilm „Sensin – Du bist es“ einen seiner ersten Preise überhaupt. Das engagierte ehrenamtlich tätige Filmtage-Team selbst wurde 1995 mit einem Stipendium der Nürnberger Kulturpreise geehrt, der 1997 gegründete Verein „InterForum – Kunst&Kultur - Nürnberg international e.V.“, der seitdem als Hauptveranstalter fungiert, nochmals 1998. Angespornt vom zunehmenden Erfolg wurden 1999 und 2000 im CINECITTÀ Anläufe zu einer Weiterentwicklung der Filmtage zu einem internationalen Filmfestival unternommen, das sich schwerpunktmäßig der Kinokunst aus den Herkunftsländern der in Nürnberg stark vertretenen Bevölkerungsgruppen widmen sollte. Die Idee des „InterFilmFestival“ konnte sich aber nicht durchsetzen. Nach zwei Jahren konzeptionellen Nachdenkens und Planens startete das Filmfestival dann in seiner heutigen Form. Es ist einerseits den Wurzeln der Türkei-Filmtage treu geblieben, der sonst kaum im Kino zu erlebenden türkischen Kinokunst ein Forum zu geben, andererseits fokussiert es sich auf die Begegnung mit dem aktuellen deutschen Kino und behält dabei stets das Schaffen von Filmemacher/innen, die selbst Migrationshintergrund haben, besonders im Blick.
Von Anfang an wurden die Filmtage und später das Festival durch die Stadt Nürnberg organisatorisch und finanziell unterstützt. Den Durchbruch schaffte das „Filmfestival Türkei / Deutschland“ dann aber durch die intensive Förderung der Robert-Bosch-Stiftung ab 2003. Neben besseren organisatorischen Rahmenbedingungen und einer verbesserten Öffentlichkeitsarbeit war es dank der Bezuschussung durch die Stiftung möglich, ab 2004 neben dem Kurz- und Dokumentarfilmwettbewerb auch einen Spielfilmwettbewerb auszuschreiben - ein Meilenstein in der definitiven Entwicklung zum Festival, die auch in kontinuierlich wachsenden Besucherzahlen im Künstlerhaus als neuem Festivalzentrum und im CINECITTÀ sichtbar wurde. In der Welt des türkischen Kinos genossen die Nürnberger Filmtage und später das Filmfestival schon lange einen guten Ruf, aber auch in der deutschen Kinolandschaft gewann das „Filmfestival Türkei / Deutschland“ zunehmend an Ansehen. Wenn der deutsch-türkische Kinodialog 2015 zum 20.Mal stattfindet, dürfen sich die engagierten Festivalmacher/innen darüber freuen, dass es kaum einen großen Namen der türkischen Kinowelt mehr gibt, der noch nicht in Nürnberg zu Gast war. Aber auch die „deutsche Seite“ glänzt in der über 600 Namen langen Liste der Ehren- und sonstigen Festivalgäste mit namhaften Repräsentant/innen.
Dank des „Filmfestivals Türkei / Deutschland“ konnte und kann das Nürnberger Publikum große Kinokunst aus beiden Ländern genießen und ihre Regisseur/innen und Protagonist/innen aus der Nähe erleben. Dabei hatte das Festival von Anfang an neben dem cineastischen Wert stets auch einen unschätzbaren gesellschaftlichen Mehrwert als Treffpunkt von Nürnberger/innen unterschiedlicher Herkunft, als Symbol der Wertschätzung von Kulturen aus anderen Ländern, als Spiegel sozialer Realität, aber auch der Vorwegnahme gesellschaftlicher Entwicklungen in der (Kino)Kunst. Die Filme, Gespräche, Diskussionen und Rahmenprogramme waren immer auch Anregung zum gemeinsamen und wechselseitigen Nachdenken über Wandel, Unterschiede und Gemeinsamkeiten in beiden Ländern und damit gleichzeitig ein wichtiger Beitrag zur Gestaltung von Vielfalt in unserer Stadt.
Jürgen Markwirth,
Dienststellenleiter des Amtes für Kultur und Freizeit, KUF